Der Wirtschaftsstandort Deutschland im globalen Wettbewerb: Herausforderungen und Perspektiven im Zeitalter ökonomischer Machtverschiebung und Systemkonkurrenz

Panelgäste:

  • Dr. Alexander Börsch (Chefökonom Deloitte Ltd. Deutschland)

  • Dipl. Ing. Sonja Jost (CEO DexLeChem, Vizepräsidentin IHK Berlin)

  • Prof. Dr. Marcel Fratzscher (Prof. Makroökonomie HU Berlin, Präsident DIW)

  • Dr. Wolfgang Gründinger (Chief-Evangelist Enpal)


 „Stellen Sie sich vor, sie sind CEO eines HiTech-Konzerns und müssen 100 Millionen Euro in eine neue Produktionslinie investieren. Sie können entweder ihr Werk in Deutschland, Polen, den USA oder China erweitern – wohin würden Sie investieren?“


Mit dieser Frage führte uns Beat Balzli, Ex-Chefredakteur der Wirtschaftswoche, in das zweite Panel „Der Wirtschaftsstandort Deutschland im globalen Wettbewerb: Herausforderungen und Perspektiven im Zeitalter ökonomischer Machtverschiebungen und Systemkonkurrenzen“ ein. Das Ergebnis: USA und Polen teilten sich mehr oder weniger den ersten Platz, China war die nächste Wahl und Deutschland fiel der letzte Platz zu. 


Schon um die Jahrtausendwende wurde Deutschland im Verlauf einer Rezession als „kranker Mann Europas“ bezeichnet. Ähnliche Befürchtungen sind auch heute wieder vorhanden, so wurde der Begriff mitunter vom Handelsblatt oder den Deutschen Wirtschaftsnachrichten wieder aufgegriffen. Die Fragen, die wir uns stellten waren, wie kommt es zu diesem Rückgang und wie kann Deutschland darauf antworten?


Thematisiert wurden mitunter Staatsprojekte wie der US-amerikanische Inflation Reduction Act und der europäische Net Zero Industry Act, welche massive Investitionen in Klimaschutz und saubere Technologien versprechen, aber auch die deutsche Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft gegenüber anderen Volkswirtschaften, wie beispielsweise China.


Gerade die aufstrebende Industrie Chinas ist insofern besorgniserregend, da diese sich in den letzten Jahren unglaublich stark an der Wertschöpfungskette für Solaranlagen aufgebaut hat – von der Kontrolle der Ressourcen über die Produktion der Bauteile bis zur Vollendung des Produkts, welches dann beispielsweise über das GreenTech Unicorn Enpal in Berlin an die Endkunden gerät. 


Als weitere große Herausforderung wurde die deutsche Bürokratie genannt, welche in ihrer komplizierten Auslebung ein sogenannter „bottleneck“ für die Umsetzung der zahlreichen Projekte ist. Nicht nur sind die Vorgänge kompliziert, sie benötigen auch einfach zu viel Zeit. Aus Sicht der IHK ist die Bürokratie eine unglaubliche Belastung für die Unternehmen, da diese lieber den Weg des geringeren Widerstands gehen und sich nicht mit langwidrigen Prozessen aufhalten möchten. An dieser Stelle wurde der Wunsch nach Verkleinerung des Bürokratieapparats im Zusammenhang mit effizienter Digitalisierung geäußert, denn immer neue Abteilungen und Stellen schaffen, würde nicht das gewünschte Wachstum bringen, sondern immer ein unaufgeräumtes Zimmer hinterlassen und die bestehenden Probleme nicht lösen.


Das Thema Wettbewerbsfähigkeit wurde im weiteren Verlauf von Marcel Fratzscher als Thema der Kommunikation definiert. Denn am Ende spielen nicht alle nach einem Regelwerk, sondern haben alle mehr oder weniger ihr eigenes. Gerade China sei in diesem Kontext bekannt dafür, beispielsweise das Recht um Patente zu ignorieren und dementsprechend keinen „fairen“ Wettbewerb zu liefern. 

Zuzüglich stellen ethisch/moralische Unterschiede eine weitere Schwierigkeit dar, denn jedes Land hat seine eigene Vorstellung von einem gemeinsamen Miteinander und am Beispiel Volkswagen und China ließ sich gut zeigen, inwieweit Erpressung durch Abhängigkeit aufgrund möglich ist – was nicht wirklich auf Kommunikation auf Augenhöhe ist.


Zum Ende wurde das Thema der Besteuerung in Deutschland aufgegriffen, welche als gesamtes Regelwerk in Deutschland mit Abstand das weltweit größte ist. Aber nicht nur das, Deutschland hat außerdem die höchsten Einkommens- und Unternehmenssteuern. Die identifizierte Problematik an der Stelle tat sich insofern auf, dass zum einen die Höhe der Steuerlast als auch das riesige Regelwerk eher abschreckend wirken und es offensichtlich einfacher für höhere Einkommen ist, sich eine kompetente Unterstützung zur Seite zu holen.


Abschließend war das Panel eine äußerst spannende Diskussionsrunde zum nationalen wie internationalen Herausforderungen in den Bereichen Investition und Ausbau, Digitalisierung Besteuerung, Bürokratie und Gründungsverhalten. Auch der moralische Aspekt wurde mehrfach hervorgehoben und zeigt, dass Wirtschaft nach wie vor ein Thema zwischenmenschlicher Beziehungen ist.


Von Lucas Engelskirchen

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