EU Agrarsubventionen: notwendiger Schutz der lokalen Landwirtschaft oder Preisdumping?
Modoratin: Ferike Thom, Doktorandin der Agrarökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Martin Scheele, Renate Künast und Stig Tanzmann beleuchteten in ihrer Diskussionsrunde die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) aus verschiedene Blickwinkeln. Außerdem erörterten sie gemeinsam mit dem Publikum, welche Schritte unternommen werden müssen, um eine nachhaltige Lebensmittelversorgung Europas sicherzustellen.
Den ersten Beitrag leistete Prof. Dr. Martin Scheele mit einem kurzen Vortrag zur generellen Zielsetzung und Struktur der GAP. Dabei hob er hervor, dass es momentan auf europäischer Ebene 2 Fonds für Agrarpolitik gibt und lediglich ca. 25% der verfügbaren Mittel für Ziele wie mehr Tierwohl, Klimaschutz und Schutz der Biodiversität eingesetzt werden. Hier sieht Prof. Dr. Scheele Reformbedarf. Mit gezielten Prämien könne man Anreize setzen, um Ziele, wie z.B. einen verringerten Einsatz von Düngemitteln, zu erreichen.
Im zweiten Teil seines Vortrages konzentrierte sich Prof. Dr. Scheele auf die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Versorgungsunsicherheit auf den Lebensmittelmärkten, welche eine Erhöhung von Agrar- und Düngemittelpreisen zur Folge haben könnte. Was die Versorgungssicherheit in Europa betrifft, würden aktuell etwa 57% des deutschen Getreides als Tierfutter und weitere 17% für die Produktion von Biokraftstoffen verwendet. Sollte es zu ernsthaften Engpässen kommen, könne man in diesen Bereichen sparen, um die Versorgung sicherzustellen. Trotzdem müsse sich Europa in Zukunft weniger auf Export und mehr auf die eigene Unabhängigkeit im Agrarbereich konzentrieren.
Nach einer kleinen Meinungsverschiedenheit zur Existenz eines effektiven Labels zum Tierwohl zwischen Prof. Dr. Martin Scheele und Frau Künast, begann letztere mit ihrem Beitrag zur Veranstaltung.
Frau Künast kritisierte, dass die lokale Landwirtschaft in ihrer aktuellen Form nicht besonders schützenswert sei und die neuen Europäischen Ziele noch lange nicht ausreichend seien, da es zu viele aufgeweichte Kompromisse und zu viele Spielräume gebe.
Da die Agrarpolitik so einen wichtigen Faktor im Umwelt- und Klimaschutz spiele, sei es deshalb enorm wichtig, jetzt die Debatte zu starten und bessere Mechanismen für die nächste Planungsperiode auf den Weg zu bringen.
Im letzten Kurzvortrag erläuterte Stig Tanzmann, wie billige, europäische Exporte in Vergangenheit die lokale Landwirtschaft in Afrika zerstört hätten, ein Problem, das durch den weitgehenden Abbau der Exportsubventionen der EU zum Teil behoben worden sei. Trotzdem sei es afrikanischen Landwirt*innen nicht möglich, preislich mit den Importprodukten aus Europa zu konkurrieren, was zu massenhaftem Anbau von Cash Crops führe.
Gegenwärtig würden Folgekosten von übermäßigem Einsatz von Düngemittel nicht richtig eingepreist. Der Aufbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten sei so momentan unmöglich.
Im zweiten Teil der Veranstaltung diskutierten unsere Gäste unter Leitung von Ferike Thom, welche Reformen notwendig wären, um die europäische Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. In vielen Punkten waren sich dabei alle Anwesenden einig: Es würden mehr Vorgaben und Anreize zum Umwelt- und Klimaschutz gebraucht, welche über eine direkte Kopplung der Subventionszahlungen an entsprechende Vorgaben erreicht werden könnten. Um solche Regelungen auf EU-Ebene durchzusetzen, seien durchaus Kompromisse denkbar, die z.B. verschiedene Standards in verschiedenen Ländern setzen.
Außerdem sei auf lange Sicht eine Umstellung der Ernährung denkbar. Dabei wurde das Beispiel der Rügenwalder Mühle angeführt, einer Firma die neben ihrem klassischen Sortiment an Tierprodukten seit einigen Jahren vegane Alternativprodukte anbietet und damit mittlerweile höhere Gewinne erzielt. Eine Ernährung, die zu einem großen Teil auf pflanzlichen Produkten basiert, würde weniger intensive Landwirtschaft ermöglichen.
Auf die Frage aus dem Publikum, warum die Mehrwertsteuer für Ersatzprodukte wie z.B. Hafermilch bei 19, während die für Kuhmilch lediglich bei 7% liege, antwortete Renate Künast, dass dies definitiv geändert werden müsse. Außerdem könne eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch einerseits helfen den Konsum zu senken und andererseits könne man die zusätzlichen Einnahmen für Maßnahmen zum Tierwohl nutzen.
Daraufhin wurde die Frage gestellt, warum die Politik im Bereich der Agrarpolitik oft nur zögerlich handele und welchen Einfluss Lobbyverbände auf den Gesetzgebungsprozess haben. Herr Tanzmann wies darauf hin, dass Umweltschutzorganisationen im Vergleich zu Lobbyverbänden der Industrie finanziell sehr schlecht aufgestellt seien. Außerdem erklärte Prof. Dr. Scheele, dass es einen Drehtüreffekt in der Deutschen Agrarpolitik gebe, sodass wichtige Politiker*innen oft nach Ablauf ihrer Amtszeit für Lobbyverbände aktiv werden würden. Auch Frau Künast schilderte, wie überrascht sie während ihrer Zeit als Landwirtschaftsministerin über den Einfluss der Lobbyverbände gewesen sei und gab dies als einen der Hauptgründe für den stockenden Fortschritt bei der Agrarpolitik an.
Von Tobias Westhoff